VF 060 (Sendung vom 29.07.1978)
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Filmfälle
Ein Kredit, der keiner ist
- Details: Karl-Heinz Wuttke wurde auf Zebrastreifen angefahren, liegt schwer verletzt mit Brüchen und Kopfverletzung im Krankenhaus. Nach sechs Wochen ist er auf Weg der Besserung. Ehefrau und Söhne Harald und Erwin besuchen ihn, Familie spricht viel über Zeit nach Entlassung. Herr Wuttke befürchtet, dass er in erster Zeit zuhause noch nicht richtig laufen kann, daher sehr auf Auto angewiesen sein wird. Beste Entlastung wäre ein Wagen mit Automatikgetriebe, das aber nun mal nicht vorhanden ist. Auf Rückfahrt überlegen Frau Wuttke und Söhne, dass es wirklich Zeit für anderes Auto wäre, derzeitige alte Mühle wohl für mindestens 1.000 DM in Zahlung gegeben werden könnte. Harald könnte über Klassenkamerad Verbindung zu Werkstatt herstellen, die auch Gebrauchtwagen für 4-5.000 DM handelt. So reift Wunsch, Herrn Wuttke zur Entlassung aus Krankenhaus mit Automatik-Wagen zu überraschen. Zu Hause kramt Frau Wuttke Postwurfsendung von Firma „Burg-Finanz Darlehens-Vermittlungs-Gesellschaft“ heraus, die Hausfrauen Sofortkredite ohne Unterschrift des Ehemannes verspricht. Naseweise Söhne haben beide von dieser Firma noch nie was gehört. Frau Wuttke meint, dass bei Sparkasse immer so viele Fragen gestellt werden, geht deshalb tags drauf tatsächlich zu Burg-Finanz. Büro befindet sich in Hinterhof, macht innen aber gediegenen Eindruck. Frau Wuttke erklärt ihr Anliegen, bekommt von Mitarbeiterin rechtzeitige Auszahlung in Aussicht gestellt, muss nur wenige Fragen zur Person und Einkünften beantworten. Mitarbeiterin empfiehlt eindringlich, Sicherheitspuffer für den Gebrauchwagenkauf einzukalkulieren, Kredit daher auf mindestens 5.000 DM anzusetzen. Rechnet vor, dass dies bei 48 Monaten Rückzahlungsdauer und monatlich 0,32 Prozent Zinsen zu monatlicher Belastung von rund 150 DM führen würde. Frau Wuttke hält das für machbar, unterschreibt den "Vermittlungs-Vertrag für Barkredit", ohne diesen aber richtig durchgelesen zu haben, und entrichtet sofort 48 Mark Bearbeitungsgebühr. Harald hat inzwischen erfahren, dass Werkstatt gerade brauchbare Audi 80, Opel, Simca mit Automatik anzubieten hätte. Frau Wuttke hat nach Telefonat mit Burg-Finanz zweiten Termin dort, ist hoffnungsvoll gestimmt, dass mit der Auszahlung alles klappt, wird dann aber herbe enttäuscht: Bekommt von Mitarbeiterin die Auskunft, dass alle Banken Kreditanfrage abgelehnt hätten, obwohl Familie Wuttke keine Schulden hat. Erfährt zu ihrer weiteren Überraschung, dass Burg-Finanz die Kredite lediglich vermittelt, aber nicht selbst vergibt. Mitarbeiterin bietet an, es nochmal versuchen zu können, vorher aber müsse Frau Wuttke erst mal die fällige Courtage von 6 %, d.h. 300 DM, für ersten Vermittlungsversuch bezahlen. Mitarbeiterin kann dazu auf Geschäftsbedingungen verweisen, die Frau Wuttke mit Unterschrift unter Vertrag anerkannt hatte.
- Darsteller: Ingeburg Kanstein als Frau Wuttke, Erla Prollius als Mitarbeiterin Burg-Finanz
- Zitate: "Das ist überhaupt kein Problem. Bei uns brauchen sie keine Unterschrift von ihrem Mann. Es sei denn, sie wollen 100.000 Mark haben."; "Sie sagen mir, wie hoch der Kredit sein soll, und ich fülle den entsprechenden Auftrag aus – dann läuft das! Anfang kommender Woche haben Sie das Geld wahrscheinlich schon, wenn Sie's überhaupt so schnell brauchen."; "Das ist doch Ihre Unterschrift, Frau Wuttke – oder?!"
- Besonderheiten: Ede erklärt, dass es Firma offensichtlich nur auf Kassierung von Gebühren ankam. Klage von Frau Wuttke hätte nach neuerer Rechtslage durchaus Aussicht auf Erfolg. Da sich Beweisfragen aber nie ganz sicher einschätzen lassen, bestünde Risiko, auf zusätzlichen Gerichts- und Anwaltskosten sitzen zu bleiben. Da Firmen gezielt Frauen ansprechen, die Geld ohne Wissen des Ehemannes bekommen möchten, gehen Opfer auch aus diesem Grund nur selten gegen Betrüger vor.
Potentiell fragwürdige Motive für diskrete Geldbeschaffung durch Ehefrauen werden sendungstypisch äußerst sorgfältig ins Wohlanständige gewendet: Kredit soll für teure, schnelle Anschaffung verwendet werden, um Ehemann bei Rückkehr aus Krankenhaus überraschen zu können. - Bewertung: ***
Teurer Zeitvertreib
- Details: Der 45 Jahre alte Verwaltungsangestellte Herbert Lier steigt in Bremen in Intercity „Nordwind“ Richtung Hannover; schnarchige Bahnansage; Herbert will Schwester in Berlin besuchen; kommt nur selten aus der kleinen Provinzstadt heraus, in der er lebt, deshalb genießt er Reise besonders; fährt mit „elegantem Intercity-Zug“; qualmt Zigarre in der 1. Klasse. Zwei Krawattenmänner checken unauffällig die Reisenden in den Zugabteilen auf der Suche nach „zahlungskräftigen Herren“; einer der beiden betritt Liers Abteil und fragt ihn, ob er zum Zeitvertreib als „dritter Mann“ Interesse an ein paar Runden Skat hätte; Lier willigt ein, Männer stellen sich als Herr Hees und Herr Becker vor und setzen sich zu ihm ins Abteil. Nach der ersten Runde erfährt Herbert Lier zu seiner Überraschung, dass um Geld gespielt werden soll; Spiel lässt sich für ihn aber gut an, er gewinnt die ersten Runden und Hees und Becker zahlen die Einsätze an ihn aus, mal 3,30 DM, mal 8,80 DM; nach halber Stunde aber wendet sich das Blatt: Lier gewinnt fortan kein einziges Spiel mehr, verliert an jeden seiner beiden Mitspieler erst 32 DM, dann 48 DM; will dann nicht weiterspielen und kann sich kurzerhand aus der Affäre ziehen, als wenig später sein Umsteigebahnhof Hannover angekündigt wird; in Summe im Verlauf der Skatrunden fast 200 DM losgeworden. Lier hat zwar den Verdacht, dass er beim Spiel betrogen wurde, kann aber nichts beweisen – und schreibt Geld deshalb stillschweigend ab. Unterdessen suchen sich Hees und Becker im Zug ein neues Opfer.
- Darsteller: Günter Becker als Herr Lier, Paul Neuhaus als Herr Hees
- Zitate: "Moment mal, spielen wir denn um Geld? – "Na, ein bisschen Salz muss doch in der Suppe sein!"; "48 Mark für jeden!" – "Tut mir Leid, irgendwo hört der Spaß auf. Das mach ich nicht mehr mit." – "Das geht aber nicht, Herr Lier. Jetzt, wo wir mal gewinnen, wollen Sie aussteigen? Vorhin haben Sie doch auch nichts dagegen gehabt, als Sie kassiert haben!"; "Im Übrigen muss ich jetzt umsteigen." – "Ja, da kann man nichts machen. Aber Sie hätten bestimmt auch mal wieder gewonnen." – "Das glaub ich nicht."
- Besonderheiten: An Statisten wurde gespart: Dieselbe Dame sitzt in verschiedenen Abteilen des Zuges; Kameramann spiegelt sich des öfteren in der Fensterscheibe des Zugabteils, Schatten der Tonangel öfter sichtbar.
- Bewertung: ***
"Heizungsmonteure" auf Abwegen
- Details: Anna Dörfler ist verwitwet und 72 Jahre alt; lebt allein in Mietwohnung in Westfalen; laut tickende Pendeluhr; Geldschachtel im Schlafzimmerschrank; steckt Fuffi ein, um noch frisches Gebäck zu kaufen für Tochter und Enkelsohn zum Kaffee am Nachmittag; zwei Männer in Blaumännern cruisen in flaschengrünem Audi 80 durch die Straßen auf der Suche nach einem Opfer; passen Frau Dörfler an der Haustür ab; einer der Männer stellt sich als Heizungsmonteur vor, der routinemäßig die Anlage im Haus prüfe; kündigt an, in Kürze auch in ihrer Wohnung vorbeizukommen; Kollege "Willi" komme auch gleich. Unmotiviertes Rumklopfen auf Heizkörpern und Heizungsrohren mit der Rohrzange; während Frau Dörfler eine Schüssel zum Heizkörperentlüften holt, stimmen die beiden vermeintlichen Monteure das weitere Vorgehen ab. Frau Dörfler arrangiert akribisch das Gebäck und die Schaumküsse, unterdessen Willi im Schlafzimmer angeblich am Heizkörper zu Gange ist, in Wahrheit dort aber nach Wertsachen sucht; findet nach kurzer Zeit die Geldschachtel im Kleiderschrank und plündert sie; danach mit Heizkörperkontrolle natürlich fertig; verabschieden sich schnell und artig, Anna gibt noch eine Münze Trinkgeld und bedankt sich für den schnellen Einsatz.
- Darsteller: Edith Worringen als Anna Dörfler, Hans Rudolf Stein als Monteur #1, Curt Reich als Monteur #2 „Willi“
- Zitate: "Die Oma da, die sollten wir mal im Auge behalten." – "OK, dann such ich jetzt mal 'n Parkplatz."
- Besonderheiten: Einer der wenigen Fälle, in denen die Täter keine abgezockten Profis sind, sondern sich gegenseitig anpflaumen.
- Bewertung: **
Experiment: Mißbrauchte Hilfsbereitschaft
- Details: Bernd Schröder stellt sich in Mainzer Fußgängerzone, um neu erwachtes Bewusstsein zu Gunsten Strafentlassener auszunutzen. Hängt sich Schild um: "Haftentlassener bittet um Spende für Essen und Wohnen", schüttelt Karton mit etwas Kleingeld. Bewusst ungepflegter Aufzug tut Übriges, um Hilfsbereitschaft der Passanten zu fördern. Schröder wechselt öfters Standort, sammelt genug Geld, um Hilfskasse immer wieder leeren zu können. Manche Passanten geben aufmunternden Kommentar ab, andere schauen oder äußern sich skeptisch, ein Kind stellt naive Nachfrage, hotte amerikanische Schülerinnen in Bell-bottoms bleiben sogar länger stehen, um Bernds Schild genau zu übersetzen. Insgesamt kommen in kurzer Zeit 20 DM zusammen. Trotzdem war laut Ede Bernd am Ende froh, dass unangenehmes Experiment vorbei war.
- Zitate: Kind zu Bernd: "Sind Sie arm?" - "Ja." - "Arbeiten Sie doch!" - "Kann ich nicht."
- Besonderheiten: Ede spricht von Hochkonjunktur dieser Masche, bei der gute und wichtige Sache in Misskredit gebracht werde. Männer, die mit solchem Schild auf Straße oder nach Gottesdienst vor Kirche stünden, segelten meist unter falscher Flagge und nutzten Zeitgeist aus. Ede verweist stattdessen auf Gefangenenhilfsvereine, deren Adressen bei Justiz- und Sozialbehörden erfragt werden können. Dorthin seien auch Einnahmen von Bernd Schröder gespendet worden. Experiment knüpft an Filmfall aus vorletzter Sendung an, trägt auch denselben Titel. Was Ede hier einen "bewusst ungepflegten Aufzug" nennt (Hut, Sakko, schwarzes Hemd, Hose, Turnschuhe) geht heute locker als "Smart Casual" durch.
- Bewertung: **
Bemerkungen
Vorherige Sendung: VF 059 (Sendung vom 20.05.1978)
Nächste Sendung: VF 061 (Sendung vom 09.12.1978)
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